Was ist Sufismus?
Die mystische Tradition des Islams wird gemeinhin als Sufismus bezeichnet. Sie fand ihren Anfang mit den persönlichen Unterweisungen des Propheten Muhammed (Gottes Friede auf ihm) an nahe Freunde, die sich täglich auf einer überdachten Plattform der ersten Moschee in Medina trafen. Die Bezeichnung Sufi wird mit dieser Plattform in Verbindung gebracht. Aber auch die grobe wollene Bekeidung früher Asketen ist ein Namenshinweis. Von der anfänglich streng asketischen Bewegung ausgehend waren es bis ins 9.Jh. einzelne Meister, die dieser Tradition die Form einer allesumfassende Lebensführung mit Schwerpunkt Weltüberwindung gegeben haben. Ab dem 10.Jh. bildeten sich vor allem durch den persischen und türkischen Einfluss Derwischbruderschaften, welche die Methoden der Seelentransformation weiter verfeinerten. Die Gottesliebe wurde ins Zentrum der Aufmerksamkeit gestellt. Verschiedene Schulen begannen neben der herkömmlichen äußeren Religionsausübung esoterische Interpretationen des Kur'âns und der Aussprüche des Propheten in ihren Kreisen darzulegen. Diese Weltsicht wurde durch intensive Gotteserfahrungen und tiefe Selbsterkenntnisse getragen. Sie gaben bis heute dem Islam als Religion die umfassenste Prägung, da sie sich nicht nur mit äußeren religiösen Aspekten beschäftigten, sondern weit in die Unendlichkeit des multidimensionalen Raumes vordrangen.
Heute finden wieder Lehrverhältnisse des direkten persönlichen Kontaktes, die über das Ordenswesen hinausgehen, statt. Die ursprüngliche Vermittlung anhand der Lebensführung steht mehr im Zentrum als philosphische Abhandlungen. Der Sufismus hat sich in seiner 1400 Jahre währenden Geschichte zu einer sprudelnden Quelle an vielschichtigen Herangehensweisen an das Unermessliche entwickelt. Der Wert dieser lebendigen Tradition ist nur dann wirklich erahnbar, wenn man sich der faktischen Unwissenheit gegenüber der Göttlichen Dimension bewußt wird. >>>>